Growe 2022-08-28T17:56:19+02:00
Biografie
1960 geboren in Warburg
1983 – 89 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf
1989 Meisterschüler
Michael Growe lebt und arbeitet in Köln, Shanghai und auf der Raketenstation  Hombroich.
Lehrtätigkeit

School of Fine Arts, Henan Normal University, China: Colour. Space. Interaction. Perception
Shanghai Academy of Fine Arts, China: Body of Colour
Alberts Magnus Universität Köln – Humanwissenschaften: Visuelle Wahrnehmung, Zeichnen
Hochschule für Musik, Basel: Seminar von Ursula Sinnreich mir Hans Saner: Visuelle Wahrnehmung, Sprachliche Begriffsbildung
Hochschule für Design, Basel: Workshop: Mein Standpunkt als Künstler
Friedrich-Wilhelm Gymnasium, Köln, Kunstuntericht
Zentrale Kunstakademie der VR China, Beijing: Workshop: Improvisierte Druckverfahren

Weitere Arbeitsfelder

Beratender Künstler Stiftung Insel Hombroich
2006 Münchener Biennale für Musiktheater Bühnenbild für „Wir“ von Christoph Staude

Werke in öffentlichen Sammlungen

Aachen, Museum in der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster
Düsseldorf, Museum Kunstpalast
Frankfurt, Deutsche Bank
Frankfurt, KFWBankengruppe
Kaiserslautern, Museum Pfalz-Galerie
Kleve, Museum Kurhaus
Köln, Museum für angewandte Kunst
Köln, Bankhaus Oppenheim
Köln, Stadtsparkasse
Krefeld, DeutschesTextilmuseum
Krefeld, Volksbank
Mülheim an der Ruhr, Kunstmuseum
München, Bayrische Hypo-Bank
Neuss, Museum Insel Hombroich
Shanghai, Museum of Academy of Fine Arts, Shanghai University

Ausstellungen (Auswahl)
2022-2024 „Sputnik- DSCH“ Bühnen-Projektionen für eine Konzertreihe an 12 Abenden im Museum  MAAK, Köln, Germany
2022  „Michael Growe’s Shangri-La“ , Shenyang, China (E)
2022 „Wolpertinger“ , Krefeld, Germany (E)
2022 „Paris Print Fair“ at Emanuel von Baeyer Cabinet, Paris, France (G)
2022 „Paare in der Kunst“, Düsseldorf, Germany (G)
2021-2022 „Finale-Directors Cut“, Museum Pfalz-Galerie, Kaiserslautern, Germany (G)
 2020  „Dear Deer“, Deer and All Art Space, Shenyang, China (E)
 2019  „Painting Bodies“, Pushan Art Gallery, Shenyang, China (E)
 2018   „Bilder ohne Schatten“, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Germany (G)
 2017  „Parallele Holz“, formformsuche, Köln, Germany (G)
 „Beware of the Greek“, Kunstverein Krefeld, Germany (G)
 „Farben Werden“, Pushan Art Gallery, Shenyang, China (E)
 „Petersburger“ Riss, Samedan, Schweiz (G)
  „Open Eyes = Open Mind“, Shibukawa, Japan (G)
2016 „Up To Seven“ formformsuche, Köln, Germany (E)
„FUGUE“ (mit Ingvar Staffans) Uppsala, Sveden 201 (E)
2015 „Open Eyes = Open Mind IV“ Minami, Maebashi, Japan (G) /
„Gaze“ Main Exhibition Hall, Academy of Fine Arts, Shanghai University, China (E)
„Zwischen Farbe und Form – Sammlung Bongartz“, Deutsche Bundesbank, Düsseldorf, Germany (G)
„Möbel in Mimikry“ gkg, Bonn, Germany (G)
2014 „Itinerar“, Concept Space, Shibukawa, Gunma, Japan (E)
„Die Sache des Blicks“, Gallery art 203, Shanghai, China (E)
2013 „Aufbruch“ Kunsthalle Rostock, Germany (G)
2012 „Aufbruch“, Museum Kunstspeicher, Würzburg, Germany (G)
„Ganz klar das Echo“ Hebel 121 Basel, Schweiz (E)
„Rembrandt ruft“ Villa Goecke, Krefeld, Germany (G)
2011 „Pym´s Desk“, Sprungtutm, Köln, Germany (E)
„Neue Farben“ Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Germany (G)
„Aufbruch“, Situation Kunst, Bochum, Germany (G)
2010 „Trojaner“ Studio Burat, Köln, Germany (E)
2009  „Augenlied“ (E), Galerie Carla Reul, Bonn, Germany
2008 “Academie d`Ete de la Couleur Soie de Taulignan”, France
“New paintings”, Refined Nest Gallery, Shanghai, China, zusammen mit Chen Ruo Bing and Chen Qiang (G)
„Aufatmen“, Gallery Imoberdorf, Murten, Switzerland (E)
„Academie d`Ete de la Couleur Soie de Taulignan”, Taulignan, Frankreich (G)
„Schwarzeis“, Galerie Imoberdorf, Murten Schweiz (E)
2007 „Approach“, Cube Gallery, Beijing, China (G)
„Woche im Regal“, Villa Goecke, Ralph Kleinsimlinghaus, Krefeld, Germany (E)
„Cadavre Exquise“, bei Hoeps, Münster, Germany (E)
2006 Bühnenbild für das Musiktheater „WIR“ von Christoph Staude nach Samjatin im Rahmen der 10. Biennale „Internationales Festival für neues Musiktheater in München“, Germany
2005 „mobilis in mobili“ Galerie Barbara Cramer, Bonn, Germany (E)
„mobilis in mobili“ Galerie Riss, Samedan, Schweiz (E)
Künstlerhaus Dortmund, Germany (G)
„KetteSchuss“ Fahnen für das Deutsche Textilmuseum Krefeld, Germany
Beijing International Art Biennale, China (G)
2004 „Raumschiffe“, (mit Martin Streit) im Kunstverein Unna, Germany
Galerie Imoberdorf, Murten, Schweiz (E)
Kunsthandel Kleinsimlinghaus, Krefeld/Düsseldorf, Germany (E)
„Farben der Insel“, Städtische Galerie Viersen, Germany
2003 Kunstpreis Münsterland mit Ausstellung im Kunstverein, Germany
2002 „Zikkurat“, Pfalzgalerie Kaiserslautern, Germany (E)
Stadtmuseum Beckum, Germany (E)
Museum der Stadt Ratingen, Germany (E)
„space oddity“, Galerie Imoberdorf, Murten, Schweiz (E)
„Rain“, Galerie Barbara Cramer, Bonn, Germany (E)
Kunst am Bau: JVA Rohrbach/ Rheinlandpfalz: Vier Bilder, Germany
2001 „Die Sammlung Kemp“, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Germany
Kaunas, Litauen (G)
„Zikkurat“, Kunstverein Münsterland, Coesfeld, Germany (E)
2000 „Schachtelkunst“, Museum Alte Post, Mülheim/Ruhr, Germany (G)
Augenweide Wolkensteno, Schlanders, Italien (E)
1999 „Sammlung“, Museum Alte Post, Mülheim/Ruhr, Germany
1998 „Sieben Sachen“, Museum für angewandte Kunst, Köln, Germany
Fahnen für das Museum, Kunstverein Braunschweig (mit Andres Bally)
1995 „Unter Freunden“, Galerie Rasche, Münster (mit Frank Herzog)
„Uferbänder“, Kunsthaus Rhenania Köln (mit Andres Bally)
1994 „Wir hier“, Kunsthalle Recklinghausen (G)
1992 „rebis“, Haus Koekkoek, Kleve (E)
1991 Städtische Kunsthalle Düsseldorf
1988 Galerie Januar, Bochum (E)
Zusammenarbeit mit

Dirk Gebhardt                                        IT
Markus Kaufmann                                Tischler
Stephan Kitschen                                  Tischler
Christoph Leistenschneider                Berater, Tischler
Oktay Osmanov                                     CAM
Peters, Glas und Räume                      Glasmalerei
Ralph Taubenreuter                             Chassis
Gerd Türke                                             IT
Tamara Soliz                                          IT
Edward Schizle                                     Airbrush
Wolfgang Burat                                     Fotografie 
Regina Hügli                                          Fotografie 
Alistair Overbruck                                Fotografie 
Octavia Schoplick                                 Fotografie
Baimei Zheng                                        Fotografie 

Bibliografie

Wolpertinger

Werkverzeichnis

Text: Bettina Haiss

Fotografie: Alistair Overbruck
und
Esmin Dili
Johannes Growe
Sinan Mece
Barbara Streil 

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Wolpertinger – 

oder die unverhohlene Leichtigkeit des Scheins 

Am Anfang war das kreative Chaos. Ein ungeordnetes Sammelsurium aus Fundstücken, unliebsamen Erbstücken, überflüssigen Geschenken, kuriosen Artikeln, demontierten und demolierten Frühwerken, kurzum, ein dichtes Durcheinander von bunt zusammengewürfeltem Material versammelt sich im Atelier. In einem solch reichhaltigen Fundus an objets trouvés trifft zwangsläufig aufeinander, was nicht zusammen gehört. Und so entstehen als ungezwungene Kompilationen seit 2004 bis heute die Wolpertinger. 

(…) die Wolpertinger präsentieren sich als bisweilen bizarre Bricolagen, verbinden sie doch beispielsweise einen Motorradspiegel und das von der ungelenken Hand eines Amateurs ausgeführte Damenportrait in Öl (Eifel, 2012). An anderer Stelle werden ein Sesselbein, eine Kokosnuss-Schale und ein altes Spielzeugrad miteinander vereint. (Predator, 2013). 

Das Erscheinungsbild eines jeden Wolpertingers konterkariert das klassisch bildhauerische Ideal einer harmonisch ausbalancierten Einheit. Hier werden die einzelnen Elemente nicht in exakter Präzisionsarbeit zusammengeführt und zugunsten der Vortäuschung einer übergeordneten geschlossenen Gestalt kaschiert. Die Verschränkung von Finden und Erfinden, die ihrer Entstehung zugrunde liegt, lässt brüchige Übergänge, Asymmetrien, Schieflagen zu, stellt das Improvisierte, Imperfekte heraus. 

Die Wolpertinger behaupten sich selbstbewusst als »Mischwesen«. Ihre fragmentarische Körperlichkeit bildet multiple Facetten ihres Urhebers ab. Denn die disparaten,in einen bisweilen ungelenken Zusammenhang überführten Dinge sind angefüllt mit Spuren, Erinnerungen, Eindrücken, mit Rückständen von partikularen Interessensgebieten: Allesamt Ausschnitte einer Individuellen Mythologie, sind einzelne ihrer Elemente mit verschlüsselten persönlichen Geschichten behaftet (…)  Indirekt oder direkt verweisen sie
auf Literatur, Kunstgeschichte, Naturwissenschaft, Popkultur, aber eben auch auf die eigene Biografie. Symbolhaft verdichtet, ergeben die vielfachen Rekombinationen und die in ihnen angelegten Bezüge und Referenzen eine Art »Kryptobiografie«. Entsprechend und in Erweiterung der bruchstückhaften Natur der Wolpertinger, die als eigenwillige Assemblagen hervorgehen, ist auch bei der Gestaltung dieses Buches eine undogmatische kombinatorische Praxis am Werk. In enger Korrespondenz zum Entstehungsprinzip der dreidimensionalen Objekte wird auch der zweidimensionale Raum zum Spielplatz für die schöpferische Verwertung von verschiedenartigem Bildmaterial. Die Bilder in dieser Publikation bestehen aus vielschichtigen Collagen und zeigt sich somit heterogen wie die Objekte, die es in sich aufnimmt. 

Die verarbeiteten Vorlagen spiegeln private Gedanken und Vorlieben wider, gewähren punktuelle, teils ironische Einblicke in die subjektive Prägung der Künstler-Persönlichkeit. In diesem versteckten Selbst-Portrait, welches das Leben selbst als üppige Sammlung an Erfahrungen und Eindrücken auffasst
und die Fülle der Existenz im Spiel feiert, verschmelzen
Stoffe aus jugendlichen Träumen und Abenteuerwelten mit China-Impressionen; fiktive Sci-Fi-Visionen, historische Forschungsexpeditionen und eigene Motorradtouren verbinden und verwandeln sich. Der künstlerische Kosmos von Michael Growe umfasst Klitterung und Karikatur, Mondfahrt und Kaffeefahrt. Wie traditionelle Wunderkammern offenbaren diese vielseitig angelegten Bildfindungen dem Betrachter neue, der Auswahl des Künstler-Sammlers entstammende Bild-Welten. In diesem Buch entfaltet sich ein ganzes Panoptikum: Manga- Zeichnungen von Katsuhiro Otomo und die Apokalyptischen Reiter von Albrecht Dürer treten auf, ebenso finden historische Mondkarten, Hitchcock-Filme und Tintin-Comics Eingang. Der Betrachter wird eingeladen, analog zu den vielfältigen Spielarten der Wolpertinger, den eigenen Bildungshorizont zu erweitern, Ideen wie Irrfahrten zu folgen, sich mit eigener Vorstellungskraft auf die paradoxen Objekte einzulassen und auf eine unbestimmte Reise zu begeben. 

Propheten 

Text: Bettina Haiss 

Fotografie: Wolfgang Burat 

Beratung: Mathilde Niehaus

IT / Übersetzung: Baimei Zheng 

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Das Bild vom Bild 

Zu den Propheten-Bildnissen von Michael Growe 

(…)

Um es einmal vorweg zu nehmen: Michael Growe malt
Bilder von Bildern von Gesichtern. Die zwischen 2012 und
2013 entstandene Werkgruppe Propheten besteht aus 18 schwarz-weiß Gemälden im kleinen Format (40 × 24,5 cm).
Als bildfüllende und nahezu lebensgroße Kopfbildnisse,
das Gesicht in frontaler Ansicht oder in seitlicher Neigung präsentiert, bilden sie eine Ausnahme innerhalb des Gesamtwerks des Malers, welches sich unter Umgehung figürlicher Darstellung hauptsächlich derauf die eingehende Erforschung von Malerei hinsichtlich ihrer Räumlichkeit, Materialität und Körperlichkeit konzentriert. Diese geschlossene Gemäldereihe wird immer als durchgehender Block präsentiert, wodurch ihre dichte motivische Ansammlung den Eindruck einer physiognomischen Musterschau erweckt. 

Und tatsächlich liegen Growes 18 Gemälden Fotografien
von Julius Weitmann aus den 1960er Jahren zugrunde, die als Illustrationen dem »wissenschaftlich« aufbereiteten Bildband „Das Gesicht des seelisch Kranken“ (1967) von Professor Dr. med. Dr. phil. Gerhart Mall beigegeben sind. Seine Publikation sollte als allgemein verständlicher Leitfaden für »den Arzt, […] aber auch den Anthropologen, Soziologen und Juristen, dem Seelsorger«
in die »patho-physiognomische Antlitzkunde« einführen. Wie aus der Einleitung des Verfassers – der während der NS-Zeitals Parteimitglied und Anhänger der propagierten Ideologie die Tötung seines psychisch erkrankten Bruders systematisch vorantrieb und nach dem Krieg als leitender Psychiater tätig war – hervorgeht, habe Weitmann anhand von »künstlerisch hervorragenden« Aufnahmen von Patienten der Pfälzischen Nervenklinik Landeck eine umfassende »Bilddokumentation des Gesichtsausdrucks des seelisch Kranken« geschaffen.
(…)

Growes eigenständige Abwandlung des Originals ist ein Angriff auf die vernichtende Funktion der Krankheitsbilder. Die vormalig einseitig besetzte Physiognomie der Portraitierten tritt zugunsten der physischen Materialität der gemalten Oberfläche ihrer Bildnisse zurück. Seine bildkritische Sichtweise veranlasst ihn, die übernommene Bildvorlage durch Malerei zu verfremden und das in den Portraits vermittelte »Wissen« durch die Einführung neuer disruptiver Bildinhalte zu beeinträchtigen. Während die heikle Realität der Bildnisse zurückweicht, wird der Betrachter mit der Realität des Bildes an sich konfrontiert. 

(…)

Obgleich also eine Ähnlichkeit zwischen den
Illustrationen von Weitmann und den Propheten gegeben
ist, geht die Bildaussage über die Wiedergabe des bloßen Darstellungsgegenstands hinaus. Vielmehr dient die gewählte Abbildhaftigkeit in der Veranschaulichung der Portraitierten dem Künstler als (technischer) Vorwand zur Illustration der variablen Methoden der Vorführung im Bild. (…)

Zum entscheidenden Bildthema Growes wird nun der Darstellungs- und Visualisierungscharakter der Bildnisse,
ihre Eigenschaft als Bild, ihr offengelegter »Status des BILD- SEINS […], 

(…) Nicht die dargestellten Personen, sondern die Inszenierung und Ins-Bild-Setzung ihrer Andersartigkeit hat hier ihren Auftritt. In Entsprechung der von Weitmann Portraitierten, die eine ihnen zugewiesene Rolle aufführen und mit ihrem (inszenierten) Erscheinungsbild eine an sie herangetragene Erwartungshaltung erfüllen, führt Growe seine Propheten als Maskerade vor: Sie treten dem Betrachter in ihrem nackten Bild-Sein als leere Maske, als stets neu zu bespielende Projektions-fläche vor Augen. Letztlich malt Growe ein »Bild vom Bild« in seiner ganzen Störanfälligkeit – und erkennt dabei selbstreflektierend an, dass es sich bei jeder künstlerischen Verbildlichung eines Sujets um die Verkörperung eines zugrunde-liegenden Konzepts und damit Projektion des souveränen Blicks des Künstlers handelt. 

Es sind diese mit Wertvorstellungen und den sich zwangsläufig aus ihnen ergebenden Vorurteilen behafteten, zu Klischees erstarrten Bilder, die Growe einer gründlichen Umwertung unterzieht. Ist das Bild des Anderen eine Konstruktion, so lässt Growe ausgehend von seiner Dekonstruktion eine alternative Sichtweise aufscheinen. Er betreibt die Abkehr von der Eindeutigkeit der Festlegung, der Endgültigkeit der Fixierung, gleichsam die Abwendung vom »Auge, das weiß und entscheidet; das Auge, das regiert.« (Michel Foucault) 

Auch Growes Aneignung der Portraits ist ein Akt der Bemächtigung, geschieht jedoch unter anderen Vorzeichen. In diesem Zusammenhang erscheint auch der Titel der Portrait- Reihe als inhaltliche Umwertung bzw. Neubesetzung. Propheten bezeichnet die berufenen Verkündiger von Gottes Botschaft. Durch die Umbenennung der »seelisch Kranken« wird die eindeutige Sichtweise auf ihr Erscheinungsbild relativiert. Aus den Gezeichneten werden Gesandte. Mittels einer derartigen Überhöhung der Portraitierten zeichnet Growe ein »anderes Bild«. 

Itinerar

Text: Zhu Ting

Fotos: Alistair Overbruck

Fotos Landschaft: Michael Growe

 …Im „Itinerar“ sehen wir geradlinige und doch dramatische Bildorganisationen. Der Bildaufbau ist immer unkompliziert – ganz wie das „schwarzen Quadrat“ :  Polygon, Kreis, Kreuz, Stern,, Wolke … Diese einfachen Formen lösen ohne Zweifel Reflexe aus, die einer Wiedererkennung ähneln. Ihre Farbigkeit entpuppt sich im Gegensatz zur Einfachheit der Formen als tiefgründig. 

Trojaner

Text: Bettina Deschler
Fotos: Wolfgang Burat
ISBN 2563789852-3

Der Schrank ist ein Bild

Auf der Grundlage minimalistischer Diskurse erfährt das Bild bei Michael Growe somit nicht nur den Übergang von der Fiktionalität in die Faktizität, sondern darüber hinaus in die Funktionalität. Die beweglichen, raumgreifenden Bestandteile eines Kastens wie Türen und Schubladen und ihre  charakteristischen Einschnitte in die Oberfläche schlagen sich in Growe`s malerischer Auffassung des ganzheitlichen Gegenstandes nieder. Seine Malerei greift diese konstruktiven Einteilungen des Objektes auf und führt sie weiter, überführt sie in die reine Gestaltung als grafisches “All-Over” Prinzip, das den ganzen Körper wie eine Haut aus Farbfeldern gleichmäßig überzieht. Die durch ein “All-Over” bewirkte Dezentralisierung der Malfläche, wie sie im Abstrakten Expressionismus und im Minimalismus vorgenommen wurde,  wird nun von Growe auf einen Körper angewandt, um die funktional vorgegebene Aufteilung des Möbels in einer formal aufgelösten, hierarchiefreien Gliederung zu verbergen. …Die ganzheitliche Wahrnehmung der Bilder Michael Growes erfordert nicht nur die Anerkennung sondern gleichwohl die Abkehr vom Außenraum, um sich in den voluminösen Farbraum zu vertiefen, den die Oberfläche dem Blick offenlegt. Diese wird von Growe als durchsichtiges Fenster aufgefasst, das den Blick in einen inneren, imaginären Raum freigibt. Es ist ein völlig abstrakter Raum aus changierenden Farbwerten, der Assoziationen an Meereswogen, Wolken oder Berge weckt, an jene Naturphänomene und Landschaftsereignisse also, in denen schwere Massen in Bewegung gesetzt werden und die einen Eindruck des Erhabenen vermitteln. Diese Anspielung auf den zutiefst romantischen Moment der Versenkung in eine atmosphärische Erscheinung ist zugleich die Aufforderung an den Betrachter, die äußere Umgebung auszublenden um in das Bild zu versinken, sich von den malerischen Massen einnehmen zu lassen… Bettina Deschler, Köln

Katalog zur Ausstellung „Cadavre Exquis“

Text: Erich Franz
Fotos: Alistair Overbruck
ISBN: 978-3-941100-3

Das Verborgene im Sichtbaren

Verlangsamung – Abweichung – Annäherung – etwas Allmähliches – ein Sich-Verdunkeln – ein Erglühen – Materialisierung – Transparenz. Die Bilder von Michael Growe sind in Bewegung; ihre farbigen Flächen stehen nicht fest, sondern sie entstehen, sie sinken ins Dunkle oder steigern sich ins Helle, sie nähern sich deutlichen Formen und Farbwerten an, ohne mit ihnen identisch zu werden und sich als Eindrücke zu verfestigen. Was man sieht, ist nicht was man sieht: Es entsteht aus etwas anderem und wandelt sich auch zu etwas anderem hin. (…) Das Sichtbare an Michael Growes Bildern wird bei längerem Sehen zwar nicht deutlicher, aber intensiver. Man entdeckt wieder neu, was man zuvor bereits gesehen hatte, weil es ganz anders wird und doch als das bestehen bleibt, als was man es zuerst erkannt hat. Was zunächst vielleicht einfach und überschaubar erschien, öffnet sich auf etwas Ungesehenes und wird neu, anders, unvorhersehbar – obwohl es auch bleibt, als was es erschien. (Die Bildtitel wie „Strom“ oder „Tanker“ oder „Pessach“ können die Art eines solchen Auftauchens von etwas Ungesehenem innerhalb des Sichtbaren andeuten, ohne es auf einen begrifflichen Inhalt einzuschränken. Die Bildvorgänge bleiben ganz und gar Sehvorgänge.) Letztlich erschöpft sich das Sichtbare auch nicht in der Durchdringung mit dem zuvor nicht Gesehenen. Immer bleibt auch ein Nicht-Sichtbares latent bewusst, das sich dem Sehen erst erschließen wird. Was man dabei als Einheit des Einen mit dem Anderen erfahren hat, behält weiterhin ein nicht Entdecktes, ein Verborgenes bei.    Erich Franz, Münster

Katalog zur Ausstellung „Woche im Regal“

Text: Reinhard Hoeps
Fotos: Alistair Overbruck, Klaus Weidner, Octavia Schoplick
ISBN: 978-3-941100-17-6

Seit 2005 treibt Michael Growe die Reduktion bildgeometrischer Komplexität zur Stärkung der farblichen Valeurs weiter voran. Die Farbigkeit ist hier meist stark zurückgenommen und in überraschender Weise bricht ein gegenständlich identifizierbares Bildelement in das abs-trakte Kalkül von Farbe und Bildfeld ein: der Rahmen. Freilich kein wirklicher Rahmen, sondern ein Rahmen aus Malerei, selbst Teil der Bildfläche und gleichzeitig deren Begrenzung. Diese Malerei des Rahmens nähert sich dem trompe l’œil: Maserungen wie von Holz, der Anschein reliefartiger Vorwölbung, wie eine Tendenz zum Objekt, infolgedessen Schatten-zonen, sogar Gehrungsschnitte in den vier Ecken. Die Malerei nimmt den realen Bildrahmen zum Vorbild, genauer: Der Malprozess des Auftragens und Abschleifens von Farbe wird auf Strukturen zugeführt, die sich an der Maserung von Holz (eigentlich: an der Hervorhebung der Maserung durch eine Bemalung, die wieder abgeschliffen wurde) orientiert. Growes künstlerische Technik befähigt die Farbmalerei, sich der Anmutung von Holz bis an die Grenze der Ununterscheidbarkeit anzunähern. Rahmen und Farbmalerei fallen ineins.  Die Grenze des Bildes ist nicht der Farbentfaltung entgegengesetzt, sondern aus dieser entwickelt. Farbe begrenzt sich selbst, indem sie nach der Art einer Maserung das gesamte Bildfeld umläuft. Die Schattenmalerei unterstreicht die innere Geschlossenheit des Bildfeldes als in sich selbst begründete Entität an der Wand. Malerei versetzt Farbe in die Lage, in die ihr ursprünglich entgegengesetzte Funktion von Bildfeld und Komposition einzutreten. Farbe übernimmt die verbindliche Bestätigung des Bildformates in der lapidaren Geste des umlaufenden Rahmens. Angesichts dieses spektakulären Konzeptes der Transformation der Bildbegrenzung in Malerei  könnte man beinahe übersehen, was es denn hier zu rahmen gibt: Malerei zwar, aber keine bestimmte Darstellung. Gegenüber der definierten Bildbegrenzung bleibt das Innere des Bildfeldes weitgehend undefiniert. Mit seiner unregelmäßigen Maserung und seinem Farbenspiel, mit seiner bestimmten Artikulation gegenüber der freien Wand scheint der Rahmen beinahe mehr zu erzählen als das von ihm eingefasste Bildfeld. Zwar legt der aus-geprägte Rahmen nahe, dass man es mit einer finestra aperta (Alberti) zu tun hat, mit einem Fenster, das auf die Welt hin geöffnet ist. Doch dieses Fenster geht allenfalls auf ein nebulös Landschaftliches, manchmal auch auf etwas wie einen Vorhang. Wo ein bestimmter Duktus des Farbauftrages zu erkennen ist, erscheint diese Geste im definierten Bildgeviert doch ohne fixe Einbindung. Die Bildfläche wird überzogen von einer Art farbiger Grisaille-Malerei mit unbestimmten tiefenräumlichen Valenzen, aber ohne dem Blick Konturen, Haftpunkte oder gar fixe Strukturen anzubieten. Andererseits ist ihr Kontrast zur Rahmenmalerei zu unvermittelt, um diese Farbmalerei nach Art eines romantischen Seestücks zu genießen.   Die dezidiert gemalte Rahmung leitet den Blick an, auch im Bildfeld selbst nach strukturierenden Elementen zu suchen, die freilich ausbleiben. Dominierend ist der Eindruck einer sich entziehenden Leere, einer Leere von höchster Dichte allerdings. Für diese Dichte lässt sich nicht die Intensität einer Farbe und erst recht nicht das Kalkül einer Bildkomposition verantwortlich machen, vielmehr resultiert sie aus deren Absenz, einer Leere, die allein mit dieser präzise unbestimmten Malerei gefüllt ist. Kraft dieser Dichte ist die Leere von höchster Potentialität: Jeden Augenblick könnten sich aus dieser Ursuppe Gestalten und Farb-klänge herauskristallisieren, die in ihr keimhaft angelegt sind. Aber diese Vorstellung versucht vielleicht nur vergeblich, am Theorem der finestra aperta festzuhalten, obwohl die Beschreibung dieser Malerei eine ganz andere Metaphorik nahelegt: Das Bild erscheint als Spiegel, der alles abzubilden in der Lage ist, was ihm gegenübertritt. Angesichts dieser Malerei bleiben allerdings alle narzisstischen Verlockungen, wie sie die Metapher des Spiegels anbietet, strikt verschlossen. Das Bild wartet nicht darauf, dass ich mich in ihm spiegele; seine leere Dichte lässt sich treffender als Überlagerung aller Personen und Ereignisse verstehen, die der Spiegel einfängt, eine Überlagerung, in der sich alle spezifischen Bestimmungen aufheben in eine weite und leere, zugleich aber undurchdringliche Dichte. Diese Abwendung vom Ich hin zu einer ebenso vieldeutigen wie rätselhaften Dichte deutet auch der Titel an: Woche im Regal ist ein Anagramm zum Namen des Künstlers, der das Wahrzeichen seiner Individualität in das unvorhersehbare Potential eines im Interesse der Farberscheinung vorgetragenen, planvoll widersprüchlichen Bildentwurfs investiert.   Reinhard Hoeps, Münster

„Raumschiffe“ Katalog zur Ausstellung

Michael Growe, RAUMSCHIFFE Kunstverein Unna e.V.,
Unna 2004
Herausgeber: Kunstverein Unna e.V.
Ausstellung und Katalog: Michael Growe
Texte: Claudia Posca
Fotos: Alistair Overbruck, Köln
ISBN: 3-937390-28-6

„Kunstpreis Münsterland“ Katalog zur Ausstellung in der Kolvenburg, Billerbeck 2003

Herausgeber: Sparkasse Münsterland
Ausstellung und Katalog: Michael Growe, Judith Samen
Texte: Uwe Schramm, Ursula Sinnreich

Zur Arbeit von Michael Growe

Ausgehend von einer schichtweise aufgebauten Malerei, in der mehrmalige Schleif- und Versiegelungs-Prozesse zu einer optischen Verräumlichung der Farbe führen, verlässt Michael Growe in seinen neueren Arbeiten den traditionellen Bildgrund der Fläche zu Gunsten realräumlicher Objekte. Es entstehen mehransichtige sockellose Farb-Körper, die ähnlich seinen Bildern mit der Spannung von Farbtransparenz und Verdichtung bzw. von Farblicht und Dunkelheit sowie der Ambivalenz von Hintergrund und Vordergrund spielen. In diesen Farb-Körpern finden sich malerische Prozesse und skulpturale Formfindungen unter Einbeziehung funktionaler Möglichkeiten in Gestalt eines benutzbaren Möbels zueinander in Beziehung gesetzt. Mit dem irritierenden Resultat einer im Zeichen von gleichzeitig autonomer und dienstbarer Werkstruktur vorangetriebenen und zugespitzten medialen Grenzüberschreitung.      Erich Franz

„Zikkurat“ Katalog zur Ausstellung Michael Growe Zikkurat

Herausgeber: Kunstverein Münsterland, (Uwe Schramm), Pfalzgalerie Kaiserslautern, (Britta E. Buhlmann)
Katalog: Michael Growe, Alistair Overbruck, Uwe Schramm
Texte: Britta E. Buhlmann, Martin Gesing, Uwe Schramm
Fotos: Alistair Overbruck, Köln,
ISBN: 3-89422-116-X

Die Sprache der Malerei entpuppt sich in Michael Growes Bildern als ebenso facettenreich und mehrdeutig wie die gesprochene Sprache, von der wir wissen, dass sie durch eine Verschiebung der Nuancen, durch eine Modulation der Klangfarbe Glück, Verwirrung oder Streit auszulösen vermag. Growes Bilder, ästhetisch differenzierte Setzungen, beleuchten anhand schlichter Modelle unterschiedliche Temperamente und atmosphärische Verschiebungen. Ihre inhaltlichen Aussagen sind niemals eindeutig festgelegt, sondern entfalten sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Parameter. Britta E. Buhlmann, Kaiserslautern

„augenweide/Wolkensteno“

Katalog zur Ausstellung: augenweide/Wolkensteno, Bibiliothek Schlandersburg 2000

Herausgeber: Verein Kulturhof Rimpf, Italien
Gestaltung: Michael Growe, Alistair Overbruck
Text: Ursula Sinnreich
Fotos: Alistair Overbruck, Köln

„Andres Bally, Michael Growe“

Katalog zur Ausstellung: Andres Bally, Michael Growe
Ausstellung und Katalog: Andres Bally, Michael Growe, Justus Jonas-Edel
Texte:Holger Broeker, Justus Jonas-Edel, Thomas Kling
Fotos: Alistair Overbruck, Köln, Thomas Müller, Rainer Rosenow, Andreas Voegelin
ISBN: 3-929270-19-6

„rebis“

Katalog zur Ausstellung Michael Growe
Texte: Guido de Werd, Justus Jonas
Fotos: Annegret Gossens

„rebis“ Das Werden als Prozess ist die eigentliche Thematik  Michael Growes. Malerisch gibt es kaum Flächigkeit; immer und überall öffnet die farbliche Nuance, als Ergebnis der Malerei oder des Wegschleifens und Freilegens unterliegender Farbhäute, eine Tiefe und Bewegung, die erforderlich sind für die Wirkung der konkreten, erfassbaren Formen. Das vereinzelte Anschneiden dieser Erscheinungen durch den Bildrand verstärkt das Gefühl des Prozessualen, des Kommens und Gehens.  Guido de Werd, 1992