„Der Schrank ist ein Bild“
…Auf der Grundlage minimalistischer Diskurse erfährt das Bild bei Michael Growe somit nicht nur den Übergang von der Fiktionalität in die Faktizität, sondern darüber hinaus in die Funktionalität. Die beweglichen, raumgreifenden Bestandteile eines Kastens wie Türen und Schubladen und ihre charakteristischen Einschnitte in die Oberfläche schlagen sich in Growe`s malerischer Auffassung des ganzheitlichen Gegenstandes nieder. Seine Malerei greift diese konstruktiven Einteilungen des Objektes auf und führt sie weiter, überführt sie in die reine Gestaltung als grafisches “All-Over” Prinzip, das den ganzen Körper wie eine Haut aus Farbfeldern gleichmäßig überzieht.
Die durch ein “All-Over” bewirkte Dezentralisierung der Malfläche, wie sie im Abstrakten Expressionismus und im Minimalismus vorgenommen wurde, wird nun von Growe auf einen Körper angewandt, um die funktional vorgegebene Aufteilung des Möbels in einer formal aufgelösten, hierarchiefreien Gliederung zu verbergen. …Die ganzheitliche Wahrnehmung der Bilder Michael Growes erfordert nicht nur die Anerkennung sondern gleichwohl die Abkehr vom Außenraum, um sich in den voluminösen Farbraum zu vertiefen, den die Oberfläche dem Blick offenlegt. Diese wird von Growe als durchsichtiges Fenster aufgefasst, das den Blick in einen inneren, imaginären Raum freigibt. Es ist ein völlig abstrakter Raum aus changierenden Farbwerten, der Assoziationen an Meereswogen, Wolken oder Berge weckt, an jene Naturphänomene und Landschaftsereignisse also, in denen schwere Massen in Bewegung gesetzt werden und die einen Eindruck des Erhabenen vermitteln. Diese Anspielung auf den zutiefst romantischen Moment der Versenkung in eine atmosphärische Erscheinung ist zugleich die Aufforderung an den Betrachter, die äußere Umgebung auszublenden um in das Bild zu versinken, sich von den malerischen Massen einnehmen zu lassen…
Bettina Deschler, Köln
Ausgehend von einer schichtweise aufgebauten Malerei, in der mehrmalige Schleif- und Versiegelungs-Prozesse zu einer optischen Verräumlichung der Farbe führen, verlässt Michael Growe in seinen neueren Arbeiten den traditionellen Bildgrund der Fläche zu Gunsten realräumlicher Objekte. Es entstehen mehransichtige sockellose Farb-Körper, die ähnlich seinen Bildern mit der Spannung von Farbtransparenz und Verdichtung bzw. von Farblicht und Dunkelheit sowie der Ambivalenz von Hintergrund und Vordergrund spielen. In diesen Farb-Körpern finden sich malerische Prozesse und skulpturale Formfindungen unter Einbeziehung funktionaler Möglichkeiten in Gestalt eines benutzbaren Möbels zueinander in Beziehung gesetzt. Mit dem irritierenden Resultat einer im Zeichen von gleichzeitig autonomer und dienstbarer Werkstruktur vorangetriebenen und zugespitzten medialen Grenzüberschreitung.
Dr. Erich Franz, Westfälisches Landesmuseum, Münster